Prof. Dr. Eik-Henning Tappe

Digitale Aushandlung statt pauschalem Verbot: Warum Schulen partizipative Smartphone-Regelungen brauchen

Die Diskussion über den Umgang mit Smartphones im schulischen Alltag bewegt sich seit Jahren zwischen den Polen eines totalen Verbots und der unbegrenzten Freiheit. In einer Welt, in der digitale Medien selbstverständlicher Teil der Lebensrealität junger Menschen sind, wirkt der reflexhafte Ruf nach einem generellen Handyverbot oft wie ein pädagogischer Rückschritt. Die Studienlage, wie sie unter anderem vom Deutschen Schulportal kompakt und anschaulich aufbereitet wurde (Schulportal.de 2025), zeigt ein differenziertes Bild.

Es gibt belastbare Hinweise darauf, dass ein generelles Verbot der privaten Smartphone-Nutzung in bestimmten schulischen Situationen positive Effekte haben kann. So verweisen etwa Beland und Murphy (2016) auf signifikante Leistungssteigerungen an englischen Schulen, die Mobiltelefone untersagten – insbesondere bei leistungsschwächeren Schüler*innen. Auch andere Studien bestätigen, dass Ablenkung durch digitale Endgeräte eine reale Beeinträchtigung für die Konzentrationsfähigkeit darstellt und Unterricht stören kann (z.B. Amez et al. 2021). Die jüngsten PISA-Daten der OECD (2022) zeigen, dass exzessive private Smartphone-Nutzung in der Schule mit teils gravierenden Leistungsrückständen korreliert. Gleichzeitig betont dieselbe Erhebung, dass nicht das Gerät selbst das Problem ist, sondern die Art und Weise seines Gebrauchs. Wer sein Smartphone im Unterricht kontrolliert nutzt oder gezielt stumm schaltet, schneidet im Mittel sogar besser ab als der Durchschnitt.

Noch klarer wird dieses Spannungsfeld in der internationalen Scoping-Review von Campbell et al. (2024), veröffentlicht im Journal of Psychologists and Counsellors in Schools. Die Autor*innen werteten 22 Studien aus 12 Ländern aus und fanden gemischte Effekte von Smartphone-Verboten: In einigen Fällen konnten schulische Leistungen verbessert und soziale Konflikte reduziert werden, in anderen zeigte sich kein signifikanter Nutzen. Entscheidend war weniger die bloße Existenz eines Verbots, sondern vielmehr, ob es von klaren Regeln, pädagogischer Kommunikation und konkreter Zielsetzung begleitet wurde. Die Forscherinnen warnen daher zu Recht vor undifferenzierten Schlussfolgerungen und empfehlen, Smartphone-Regelungen nicht als pauschale Verbotsfrage zu behandeln, sondern als Gegenstand schulischer Aushandlungsprozesse.

Es zeigt sich also, dass Smartphones durchaus eine reale Herausforderung für konzentriertes Lernen darstellen können. Gleichzeitig erscheint ein pauschales Verbot als zu kurz gegriffen, da es reale Problemlagen eher in einen unsichtbaren Raum verschiebt. Zielführender erscheint ein Ansatz, der auf Partizipation, medienpädagogische Begleitung und kontextsensibles Regelwerk setzt. Dies bedeutet nicht, digitale Geräte unreguliert zuzulassen. Vielmehr sollten Schulen kontextspezifisch entscheiden können, in welchen Phasen, Räumen oder Jahrgangsstufen private Geräte ausgeschlossen sind. In der Grundschule etwa oder bei Unterrichtssituationen und Prüfungen kann ein vollständiger Ausschluss sinnvoll sein. In höheren Klassen hingegen bieten Smartphones unter Anleitung ein erhebliches pädagogisches Potenzial. Sei es für spontane Recherchen, den Einsatz interaktiver Lern-Apps oder kooperative Projektarbeit.

Die Frage lautet daher nicht, ob Smartphones an Schulen erlaubt oder verboten sein sollten, sondern wie wir sie verantwortlich, lernförderlich und partizipativ regeln können.

Denn nur wenn Schüler*innen die Gründe für Einschränkungen verstehen und aktiv in Regelbildungsprozesse einbezogen werden, entsteht eine tragfähige Schulkultur, die sowohl Störungen minimiert als auch digitale Teilhabe ermöglicht. Besonders relevant für die pädagogische Praxis ist der Gedanke, dass Reglementierungen nicht als autoritäre Setzungen erfolgen sollten, sondern im Dialog mit den Schüler*innen entwickelt werden müssen. Wenn Jugendliche die Möglichkeit erhalten, an der Formulierung von Nutzungsregeln mitzuwirken, kann nicht nur die Akzeptanz solcher Regeln steigen, sondern auch das Verständnis für die Notwendigkeit von Konzentrationsphasen, respektvollem Miteinander und digitaler Selbstregulation.

Schulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch des sozialen Übens. In einer digital durchdrungenen Welt bedeutet das, Räume zu schaffen, in denen junge Menschen den kompetenten Umgang mit digitalen Medien lernen, mit allen Herausforderungen, aber auch mit dem nötigen Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Entwicklung und Mitverantwortung.

Quellen:

  • Amez, S./Vujić, S./De Marez, L./Baert, S. (2021): Smartphone use and academic performance: First evidence from longitudinal data. In: New Media & Society, 25(3), 584-608. DOI: https://doi.org/10.1177/14614448211012374 (Original work published 2023)
  • Beland, L.-P. /Murphy, R. (2016): Ill Communication: Technology, Distraction & Student Performance. In: Labour Economics, 41, 61-76
  • Campbell, M./Edwards, E. J./Pennell, D./Poed, S./Lister, V./Gillett-Swan, J./Kelly, A./Zec, D./Nguyen, T.-A. (2024): Evidence for and against banning mobile phones in schools: A scoping review. In: Journal of Psychologists and Counsellors in Schools, 34(3), 242-265. DOI: https://doi.org/10.1177/20556365241270394 (Original work published 2024)
  • Deutsches Schulportal (2025): Handyverbot an Schulen – Ja oder Nein: Was sagen die Studien? Abrufbar unter: https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/handyverbot-an-schulen-ja-oder-nein-was-sagen-die-studien/ [Stand: 16.06.2025]
  • OECD (2024): Managing screen time: How to protect and equip students against distraction. PISA in Focus, No. 124, OECD Publishing, Paris. DOI: https://doi.org/10.1787/7c225af4-en